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Analyse

Tante Emma lebt im E-Shop. Dank Web Analytics.

In  „Tante Emma“-Läden fanden Beratung und Verkaufsprozess durch Menschen mit Menschen statt:
„Guten Morgen, Frau Meyer. Was kann ich für Sie tun? Bratäpfel an Heiligabend? Für Bratäpfel eigen sich am besten Boskop. Haben Sie denn noch Mandeln, Rosinen und Marzipan zu Hause?“

Das Entstehen von Supermärkten mit einem umfangreicheren Angebot in Detailtiefe und Menge löste die Bedienung ab und etablierte die Selbstbedienung. Der „Laden“ wurde mehr oder minder zu einer Schnittstelle komplexer professioneller (Verkäufer) und privater Logistik (Käufer).

Das Internet bietet seit langem elektronische Supermärkte in großer Vielfalt. Mit einem großen Manko:

Da niemand Rückmeldung geben kann, ob und wie Produkte „ankommen“, und auch Informationen aus dem direkten Kundenkontakt nur selten generiert werden (Ausnahme: E-Mails, Anrufe, Briefe), ist der elektronische Kanal „blind“ und „taub“ gegenüber den Kundenanliegen. Erst einmal.

Das tatsächliche Interagieren von Kunde und Unternehmen (Fragen, Antworten, Beraten, Kaufen, Verändern) wird in technische Module ausgelagert. Da in diesen nur der Kunde als Mensch tatsächlich agiert, benötigen Unternehmen eine elektronische Vertretung, die diese Aktionen und Reaktionen wahrnimmt: Ein lückenloses funktionales Controlling wird zu einem Dreh- und Angelpunkt des Gelingens der elektronischen Repräsentanz.

Web Analytics: Die einfachsten und sicherlich weit verbreiteten Reportings berichten Kennzahlen über das Besucherverhalten:

  • Wie viele Besucher hat eine bestimmte Seite? Bei anonymen Besuchen (üblich für Bereiche, in denen man sich nicht „einloggt“) kann diese Frage übrigens kaum beantwortet werden, weil nur über Hilfsmittel wie Cookies Besucher wieder erkannt werden können.
  • Wie viele Besuche gibt es?
  • Wie lange bleiben Besucher auf der Seite? Auch diese Kennzahl wird häufig missverstanden. Die Bedeutung einer kurzen oder langen Verweildauer kann erst verstanden werden, wenn man einer Seite eine „Rolle“ zugeschrieben hat. Lange Verweildauern auf Seiten, die wie ein Busbahnhof funktionieren und schnell verteilen sollen bedeuten: Überarbeiten notwendig. Auf Content-Seiten ist eine längere Verweildauer wünschenswert.
  • Welche Seiten werden nach einer Seite angesprungen – sind dies die Seiten, die die Redakteure als Folgeseiten angedacht haben?
  • Welchen Weg nehmen Besucher durch den Auftritt? Diese Clickstream- oder auch Trampel­pfadanalysen geben einen guten Einblick in die Wirksamkeit von Marketing­maßnahmen. Manchmal wird eine sorgfältige und aufwändige 3-D Darstellung eines Gerätes von den Nutzern als Navigationsmöglichkeit übersehen, als Werbung missverstanden. Stattdessen wird oftmals die Suche oder verborgene Links aufgespürt, um eben genau dieses Produkt auf der Bühne anzusteuern.

Business Intelligence: Neben diesen allgemein nutzbaren Standardinformationen bedient die „institutionalisierte Sicht auf den Kunden“ weitere Möglichkeiten des Informationsbedarfs:

  • Welche Erfolge hat eine Mailingkampagne zu einem neuen Produkt? Mailingkampagnen bedienen sich üblicherweise als Einsprung ins Web einer „Landingpage“, also einem speziell für diesen Zweck errichteten Flughafens im gesamten Auftritt. Dabei bringen die dort landenden anonymen Kunden eine Kennung mit, die ein Beobachten während des Aufenthalts bis hin zum Warenkorb (oder auch des Absprungs zum Wettbewerb) ermöglichen.
  • Welches Layout einer Seite hat eine höhere Konvertierung von Nutzern zu Kunden (Conversion-Rate)? Mit A/B Testings, einem statistischen Verfahren, wird die optimale Conversion  ermittelt, das optimierte Design dann genutzt.
  • Wie viele Warenkörbe werden bei wie vielen Besuchen angelegt? Wie hoch ist dann der Anteil derjenigen, die diese Warenkörbe auch versenden (Warenkorbquote)? Eine niedrige Quote sollte weiter analysiert werden. Liegt es z.B. an verlockenden Angeboten, die der harten Wahrheit von Preis und Menge im Warenkorb nicht mehr stand hielt? Oder waren es schlicht technische Probleme, die ein Absenden des Warenkorbs verhindert haben?

Aber das wichtigste Element des Kundenverstehens ist das Verstehen der Daten. Selbst klug gefragt und analysiert, bekommt der Shop Betreiber trotzdem nur Daten. Diese Daten müssen weiter befragt werden, bis die Kunden wieder lebendig werden und sprechen –  fast wie im Tante-Emma-Laden.

 

Gekürzter und veränderter Auszug aus: Hans-Werner Klein, „Prozessualer Komplexität mit Mitteln des Crowdsourcing begegnen“. In „Complexigence. Komplexität verstehen und aktiv managen. Norderstedt 2012“ Hrsg. Carsten Fabig, Alexander Haasper.

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